Demokratische Kommunikation

Beim Lesen der Nachrichten heute Morgen bin ich unter anderem über die Proteste in Ungarn gestolpert, wo mehrere zehntausend Menschen gegen das zunehmend autoritäre System von Viktor Orbán protestiert haben. Auf Mastodon zeigte sich jemand euphorisch angesichts dieser Entwicklung – das sei ein Indiz dafür, dass die Menschen vielleicht langsam anfingen, den nationalistischen, rechten Dreck aus ihren Köpfen zu beseitigen. Ich bin nicht sicher, ob ich so optimistisch sein möchte. Aber zumindest veranlasste mich dieser Gedanke zu einer (erneuten) Überlegung hinsichtlich der kommunikativen Asymmetrie zwischen demokratischen und autoritären Systemen.

Westliche Demokratien kommen mir heutigentags manchmal ein bisschen wie hochseetaugliche Schiffe vor, die unverhofft in stürmische Gewässer geraten sind. Eigentlich hat man ein sehr stabiles, technisch gut aufgerüstetes und verlässliches Vehikel unter sich, dem man in normalen Zeiten fraglos sein eigenes Leben anvertraut. Dazu gehört auch der Kapitän, der obligatorisch seine Befehle ruft, den Kurs absteckt und nach Problemen Ausschau hält.

Gerät das Schiff samt Besatzung mit einem Mal in eine angespannte Seelage, so möchte man meinen, dass die Crew darauf bestens vorbereitet sei. Ich bin kein Seemann, insofern weiß ich nicht, wie man auf einen Sturm angemessen reagieren würde. Das Material vertauen? Das Schiff sichern? Etwaige Schäden flicken, um ein Auseinanderbrechen des Schiffes zu verhindern? Dafür sorgen, dass niemand an der Reling steht und die Seeluft genießt während eine hochhausgroße Welle über das Deck hereinbricht? Vielleicht habe ich zu viele schlechte Piratenfilme gesehen.

Unsere demokratischen Schiffe funktionieren hingegen anders. Erst einmal ignoriert man den Sturm, der sich schon am Horizont ankündigt, vollständig. Bricht er dann – völlig überraschend! – doch über uns herein, rennen wir panisch durch die Gegend. Dem Kapitän, der uns bislang immer zuverlässig und sicher geführt hat, werfen wir nun vor, dass sein gesamter bisheriger Kurs nur dazu gedacht war, uns hier in den Tod zu führen. Wir werfen ihn über Bord und vertrauen das Heft stattdessen einem Wahnsinnigen an, der mit leuchtenden Augen schon unter Deck steht und mit einer scharfen Axt den Rumpf des Schiffes bearbeitet. Aber alle sind sich sicher: Der bisherige Kurs hat uns in diesen Sturm geführt, also hilft nur eines, wir brauchen einen radikal anderen Kurs! Wobei ich zugebe, wenn das Schiff erst einmal gesunken ist, spielen Stürme künftig tatsächlich eine untergeordnete Rolle.

Ein Virus? Schickt es über die Planke!

Die Corona-Pandemie hat uns dieses merkwürdige Verhalten plakativ vor Augen geführt – und sie eignet sich dafür hervorragend, denn anders als so manch andere Krise, die uns in den nächsten Jahren massiv bedrohen wird, war sie kurz und verhältnismäßig leicht zu bewältigen. Zunächst haben vor allem westliche Demokratien den Kopf in den Sand gesteckt und das Problem ausgesessen. Ausgeschlossen schien es, dass eine Krankheit irgendwo im fernen China jemals bei uns Fuß fassen würde. Während wir zugleich weiterhin die globalisierte Welt predigen, inklusive weltweiter Mobilität.

Kaum, dass das Virus doch bis zu uns gelangt ist, musste das Ruder schleunigst umgerissen werden. Wie so häufig, wenn man keine Vorkehrungen getroffen hat, wird man überrascht und zieht dann erst einmal alle Register, um das Schlimmste zu verhindern. Wie ein Kapitän, der morgens aufsteht und sich unverhofft im Sturm wiederfindet. Wo kam der bitte her? Anfangs sind die Leute noch bereit, den Befehlen Folge zu leisten, aber irgendwann widersetzen sie sich. Wie schlimm kann so ein Virus schon sein, das man nicht sieht? All diese Maßnahmen, nur der Anfang des Weges hinein in ein autoritäres System! Wobei ja lustigerweise ein recht großer Unterschied besteht, ob man gemeinsam und kollektiv beschließt, temporär Freiheiten aufzugeben um einander beizustehen. Oder ob jemand von oben herab Freiheiten nimmt und sie nicht wiedergibt. Der Unterschied besteht freilich auch hier, denn auch wenn unsere Regierungen manchmal wie „von oben herab“ wirken, so sind sie in einer funktionierenden Demokratie ja genau das Gegenteil dessen, nämlich Vertretungen aus dem Volk.

Mit dem Klima funktioniert es jetzt ähnlich. Die Sturmfront „Klimawandel“ droht seit Jahrzehnten am Horizont, aber man hat sich einfach auf die andere Seite des Schiffes gestellt und dort die Sonne genossen. Jetzt rückt der Sturm heran und es werden eilige Vorbereitungen nötig, um das Schiff irgendwie durch diese Krise zu lotsen. Aber jeder Handgriff, der befohlen wird, scheint schon einer zu viel. Also wählen wir stattdessen lieber diejenigen, die Freiheit für jeden bedeuten. Wenn wir das Schiff in seine einzelnen Planken zerlegen und jedem eine Planke geben, kann jeder auf seiner Planke machen, was immer er möchte. Ob das im Sturm sehr hilfreich ist, sei dahin gestellt.

Demokratien – Vom Konflikt zum Konsens

Ganz offensichtlich leiden westliche Demokratien ein wenig darunter, dass die Bevölkerungen kein Vertrauen mehr in die gemeinschaftliche Bewältigungsleistung großer Probleme und Krisen besitzen. Und man muss sich schon die Frage stellen, woher dieses Vertrauensproblem kommt. Ich fürchte, sehr viel davon ist systemimmanent.

Die Demokratie ist per definitionem eine diskursive Staatsform. In einer pluralistischen Gesellschaft treffen unterschiedliche Erwartungen, Wünsche, Perspektiven und Forderungen aufeinander, die im öffentlich politischen Raum miteinander verhandelt werden müssen. Und die, wenn alles gut läuft, in einem mehrheitsfähigen Kompromiss resultieren.

Das heißt aber auch, dass Konflikt, Streit, Auseinandersetzung und „Gegeneinander“ ständig Teil der öffentlichen Debatte ist. Das ist nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. Vorausgesetzt, wir können anerkennen dass nur, weil ich etwas möchte und es für richtig empfinde, jemand anders ganz massiv unter dieser Maßnahme leiden könnte, was ich vorher nie bedacht habe. Und umgekehrt, dass meine Bedürfnisse und Sorgen in der Debatte nicht minder schwer wiegen als die eines anderen. Die Auseinandersetzung soll hier ja dazu dienen, Fehler vor Einführung einer Maßnahme zu finden und zu beheben. Und daraus einen Weg zu ebnen, den alle gehen können und bei dem am Schluss niemand dem anderen Vorwürfe macht, weil wir alle gemeinsam beschlossen haben, diesen Weg zu versuchen. Mehrheitlich zumindest.

Nicht nur ist damit aber der Wettstreit um die Ideen und der ideologische Kampf untereinander Dauerprogramm. Wir haben diesen Diskurs auch zunehmend ersetzt durch ein rein ideologisiertes Machtspiel, bei dem es darum geht, die eigenen Ansätze maximal durchzusetzen und alle anderen Perspektiven von vornherein für falsch zu erklären. Es macht schon einen kleinen Unterschied, ob ich im Diskurs jemandem zugestehe, dass er einen guten Punkt gemacht hat und man den durchaus in die Lösung aufnehmen könnte. Oder ob ich den Punkt erst vehement bekämpfe, mich dann umdrehe und ihn als Punkt in meine eigene Lösung integriere. Das eine ist ein lösungsorientierter Diskurs, das andere ist egozentrische Selbstdarstellung.

Der Despot irrt nie!

Eine Autokratie kennt solche Probleme freilich weniger. Wenn der Einzelne seine Freiheiten und seine Perspektiven aufgibt zugunsten einer definierten Führungsfigur, dann muss er oder sie sich nicht mehr großartig mit den Problemen und deren Bewältigungsstrategien befassen. Auf solch einem Schiff wird nicht debattiert. Da wird der Kapitän auch nicht über die Planke geschickt, sondern es werden zackig die Befehle befolgt, die gegeben werden. Allerdings stellt dort auch niemand die Frage, ob der bisherige Kurs vielleicht schuld daran sein könnte, dass wir nun dort sind, wo wir sind.

Umgekehrt ist auch die Kommunikationsstrategie natürlich eine völlig andere. Darf man dem Appell des Kapitäns hier glauben, so ist die ganze Crew wie eine Einheit, alles funktioniert reibungslos, und es ist allein den hellseherischen Entscheidungen des Kapitäns zu verdanken, dass das Schiff „nur“ 70% seiner Besatzung verloren hat und nicht alle. Solange diese Erzählung halbwegs greift und die Leute damit zufrieden sind, hat der Kapitän auch nichts zu befürchten. Und sollte doch langsam die Überlegung aufkommen, ob man nicht anderweitig deutlich mehr Crewmitglieder hätte retten können, lässt man einfach den Schiffsrumpf schrubben bis der Gedanke vom Tisch ist. Also von unten. Aus dem Wasser heraus.

Jedenfalls fehlt hier das diskursive Element, das diesen andauernden Zustand eines Konflikts bedeutet. Und schon um des eigenen Machterhalts willen werden Erfolge präsentiert und herausgestrichen, Kritik daran unterdrückt und ausgeblendet. Das ist natürlich nur eine Scheinstabilität, das steht außer Frage, und die Geschichte ist voll von Momenten in denen diese kraftvoll inszenierte Fassade irgendwann bröckelt, einstürzt und einen Trümmerhaufen zurücklässt.

Die Frage ist aber am Ende doch, wieder mit Blick auf die Demokratien – wie schaffen wir es, dass wir auch in Zeiten großer Krisen mehr Vertrauen in unsere Fähigkeit haben, gemeinsam durch solche Stürme zu kommen? Wie schaffen wir wieder mehr Bewusstsein dafür, dass wir gemeinsam im gleichen Boot sitzen? Und dass nicht zwangsläufig alles, was bisher war, unfassbar schlecht gewesen sein muss, nur weil wir jetzt hier sind. Sondern dass wir uns auf das besinnen müssen, was uns bisher gut zusammen gehalten hat, um auch weiterhin gut durch den Sturm zu kommen.

Über Geschmack lässt sich streiten

Gestern fand auf dem Twitch-Kanal der ARD (ja, das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland ist auf Twitch unterwegs!) der zweite Teil eines kleinen Experiments statt. Denn wie wir alle wissen, der deutschen Bevölkerung ist nahezu nichts so heilig wie der Tatort. Angeleiert durch die Redaktion des Bayrischen Rundfunks (wenn ich es recht verstanden habe) wurde daher eine kleine Pen & Paper-Session in diesem Setting konzipiert, mit der wunderbaren Mháire Stritter von OrkenspalterTV als Spielleiterin und drei Spieler*innen, die mir aber allesamt unbekannt waren. Baso ist wohl selbst Streamerin/Influencerin, einer der Spieler ist seinerseits Tatortkommissar und hatte vorab noch nie mit tabletop Rollenspielen zu tun, und der dritte… keine Ahnung. Aber darum soll es mir auch nicht gehen.

Jedenfalls ist das, insbesondere für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, durchaus ein progressiver Versuch, eine eigene Hausmarke auch abseits der obligatorischen Verteilungswege zu positionieren, und somit neue Inhalte zu produzieren und anzubieten. Bei – da kann ich natürlich nur mutmaßen – vergleichsweise niedrigen Produktionskosten. Zwar wird die Konzeption eines solchen Rollenspielabenteuers, die Spielzeit und die Produktion im Hintergrund auch etwas Geld kosten. Aber vermutlich deutlich weniger als ein aufwändiger Filmdreh am Set.

Ich finde es jedenfalls bemerkenswert, dass bei solchen kreativen und innovativen Angeboten trotzdem Trolle in den Twitch-Chat wandern, die nichts besseres zu tun haben als sich über das Angebot lustig zu machen. Auf der einen Seite sind da ganz klassische Trolle, die zum Beispiel finden: „Die ARD ist auf Twitch? Cringe!“, oder die finden „Wenn ihr auf Twitch seid, warum nicht gleich auf OnlyFans?“. Was genau der Reiz dahinter ist, durch Kanäle zu gehen, solche Nachrichten zu setzen, die höchstens randständig zur Kenntnis genommen werden ehe der eigene Account gebannt wird, habe ich noch nie so ganz nachvollziehen können. Nichtsdestotrotz handelt es sich dabei immer noch um ganz gängiges Trollverhalten.

„Und dafür zahle ich Gebühren?!“ ist hingegen ein systemischer Vorwurf, der sich oft unter social media Beiträgen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks findet. Beispielsweise auch unter Angeboten auf Instagram, wo Formate versuchen, die Themen zu bespielen, die beispielsweise vor allem junge Menschen ansprechen sollen.

Daran finde ich eine ganze Reihe von Dingen bemerkenswert.

Erstens könnte man annehmen, die Personen erkennen den Mehrwert des dargebotenen Inhalts tatsächlich nicht an und kritisieren den Umgang mit den Gebührengeldern ehrlicherweise. In dem Fall müsste man konstatieren, dass diese Menschen davon ausgehen, jeder Inhalt, der ihren eigenen Interesse zuwiderläuft, sei nicht produktionswürdig. Eine durchaus verbreitete Haltung, möchte ich meinen. Aber nur, weil ich persönlich kein Frühstücksfernsehen, keinen Musikantenstadl und keinen Tatort schaue, heißt das noch lange nicht, dass diese Produktionen keine interessierten Zuschauer*innen haben. Es grenzt schon fast an Hybris, davon auszugehen, dass nur der eigene Interessenshorizont als „finanzierungswürdiger Inhalt“ zu gelten hat. Insbesondere, da wir alle zwangsläufig sehr viel eingeschränkter sind als die volle Breite unserer Gesellschaft.

Gerade auf Instagram sehe ich bei sehr vielen Angeboten vor allem Themen, die sehr junge Menschen ansprechen. Da geht es darum, wie man das eigene Leben in den Griff bekommt, wie man mit Gefühlen, Ängsten, dem Alleinsein oder mit anderen Menschen klar kommt. Es geht um Liebe, Freundschaft, Sex. Ja, manchmal sitze ich auch etwas ratlos da, kratze mich am Kopf und verstehe nicht ganz genau, warum der Inhalt publikationswürdig gewesen sein soll. Was wichtig ist zu verstehen: Nur, weil mir etwas sonnenklar ist, muss das nicht für jeden so gelten. Nur, weil mich etwas nicht interessiert, wendet sich jeder gelangweilt ab.

Zweitens: Selbst, wenn ein solches Angebot nur einen kleinen Personenkreis anspräche, so stünde die Frage im Raum, was daran verwerflich wäre. Denn es ist ja gerade Sinn und Zweck der speziellen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Angebote zu schaffen, die einerseits frei sind und andererseits binnenpluralistisch eine möglichst große Bandbreite der Gesellschaft abdecken. Oder umgekehrt gefragt: Wie wahrscheinlich ist es, dass sich Rollenspieler im Privatfernsehen wiederfinden werden? Dort scheinen intellektuelle Topproduktionen wie Kaugummi-Weitspucken die Nase vorne zu haben.

Drittens gehe ich auch sehr stark davon aus, dass solche „Kritiker*innen“ wenig Einblick in die Umgebungsfaktoren haben. Wie groß ist der potentielle „Markt“ für ein solches Angebot? Wie groß ist die Rezeption? Das trifft ja nicht nur die Zuschauer*innen, die ein Angebot live verfolgen, sondern auch etwaige Aufrufe in einer Mediathek oder als VOD auf Twitch. Wie hoch sind die Produktionskosten? Vor allem im Vergleich zu einem Tatort-Dreh? Wenn die Argumentation also schon auf finanzielle Aspekte abzielt, muss man sich vermutlich eingestehen, dass man die notwendigen Kennzahlen zur Beurteilung der Qualität einer Produktion gar nicht kennt.

Viertens denke ich aber ohnehin, dass es solchen Kritiker*innen nie um die Zahlen und das Geld geht. Denn wie eingangs angedeutet handelt es sich dabei vor allem um eine systemische Kritik. Darin ist vielmehr ein Versuch zu lesen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu desavouieren und somit das Vertrauen oder die Akzeptanz der Medien in der Gesamtgesellschaft zu torpedieren. Zunächst weist man die Menschen darauf hin, wie verschwenderisch diese Institutionen doch ganz offensichtlich mit dem Geld umgehen, das alle Bürger*innen ZWANGSWEISE (die Betonung ist ganz wichtig) zahlen MÜSSEN. Und dann kommt SOWAS dabei heraus. Dicht gefolgt von dem Vorwurf, dass die MSM, also die „Mainstream-Medien“ ohnehin nur der Regierungslinie folgen würden bzw. nur ein ganz bestimmtes Weltbild propagieren würden. Das ist der direkte Weg in den Zweifel und das Misstrauen gegenüber der Medienwelt, die im schlimmsten Falle in den Schlund privater „Nachrichten“anbieter führt, also in die Welt der Verschwörungstheorien und politisch extremen Akteure. „Sowas kommt von sowas“ möchte man ausrufen, wenn dann plötzlich jemand ein Meinungsstück einer rechtsextremen Plattform als Beleg für eine absurde politische Theorie anführt.

Ich frage mich manchmal, ob und wie gut das funktioniert. Denn man liest diese Form der Verunglimpfung unter öffentlich-rechtlichen Inhalten zuhauf. Ich habe keinen Zweifel daran, dass es sich dabei um gezielte, konzertierte Aktionen handelt. Und ich frage mich, ob es angesichts der Menge und der steten Wiederholung dieser Vorwürfe von scheinbar immer neuen Accounts (wer weiß, wie viele „Menschen“ wirklich hinter diesen Accounts sitzen?) eine Auswirkung auf normale Leser*innen gibt? Schleichen sich solche Zweifel am System, an den Medien, an der bislang sehr erfolgreichen Strategie der Binnenpluralität in unserem Mediensystem ein? Locken solche Mechanismen Menschen in die Spirale der Verschwörungstheorien? Oder geht es vor allem darum, Kapazitäten des ÖRR zu binden, um solche Inhalte zu moderieren?

Final noch der Hinweis: Nein, es gibt bestimmt auch Menschen, die wirklich nicht verstehen, wie man diesen oder jenen Inhalt publizieren kann. Und Unverständnis, vielleicht auch Ungehaltenheit wegen besonders großem Unsinn ist keine Systemkritik, ist kein Unterminierungsversuch, nichts dergleichen. Nicht alles, was vier Beine hat, ist eine Katze. Und Kritik am öffentlich-rechtlichen System sowie den Inhalten ist natürlich auch wünschenswert – man denke nur an die diversen Skandale, die es in letzter Zeit so gab, etwa beim RBB. Kritik ließe sich auch an der politischen Überwachung des ÖR in Deutschland üben. Und Kritik lässt sich durchaus schon auch an der Verteilung der Gelder, den Produktionskosten und -inhalten üben. Wie so oft ist es manchmal das Argument und die Art, wie das diskursive Schwert geschwungen wird, die den Unterschied machen zwischen echter, ernstzunehmender Kritik und einem banalen Angriff auf eine demokratische Institution.

Irgendwie zwischen Gendern und dem nackten Überleben

Der Kulturkampf unserer Zeit ist voll entbrannt. Auf der einen Seite wähnen sich die Vorkämpfer für die maximale individuelle Repräsentation der Gesellschaft, Freiheit und Anerkennung aller, umgekehrt oft als „woke“ verschrien. Und auf der anderen Seite schütteln Menschen genervt, bisweilen aggressiv den Kopf und verweisen auf teure Lebensmittel, wegbrechende Existenzen und die „echten Probleme breiter Gesellschaftsschichten“, die einem verkopften Pseudoproblem städtischer Akademiker*innen nachgestellt würden. Aber ist das wirklich das große Problem unserer Zeit?

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Inkompetenzvorwürfe

Seit dem Jahreswechsel heißt es nicht mehr „Anne Will“, sondern „Caren Miosga“ – eine der wichtigsten politischen Talkshows des deutschen Fernsehens wurde ausgetauscht. In ihrer ersten Sendung führte Caren Miosga zunächst ein mäßig interessantes Interview mit Friedrich Merz – warum die Medien aktuell vor allem interessiert zu sein scheinen, wie sich Merz mit Markus Söder aus Bayern im Streit um die Kanzlerkandidatur einigen wird bleibt ein journalistisches Rätsel.

Anschließend kommen noch zwei Experten mit an den Tisch: die ZEIT-Journalistin Anne Hähnig sowie ein Soziologieprofessur der LMU München, Prof. Dr. Armin Nassehi. Und insbesondere was die beiden über die politische Situation in Deutschland und die Bewertung der AfD im Parteiengefüge Deutschlands zu sagen hatten, fand ich wenigstens bedenkenswert.

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Fasnacht z’Basel: Impressionen eines Unwissenden

Die Fasnacht zu Basel ist eine Institution. Nicht nur, weil sie als größte Fasnacht der Schweiz eine ganze Woche nach den Faschings- und Karnevalsevents in Deutschland stattfindet, die Schweizer somit also noch bisserl länger was von der frohsinnigen Natur haben. 2017 wurde sie gar zum immateriellen UNESCO Weltkulturerbe erhoben. Und inzwischen verstehe ich sogar, warum.

Jetzt ließe sich hier eine ganze Menge an historischem Wissen unterbringen. Etwa, dass die Fasnacht schon ziemlich lang existiert und – kaum eine Überraschung – noch einmal ordentliche Draufgängerei bedeuten sollte, bevor die kirchlich auferlegte Fastenzeit zu greifen begann. Oder, dass die Fasnacht lange Zeit auch in der Schweiz FasTnacht, also mit t, geschrieben wurde. Eine Folge der Einführung der deutschen Standardsprache, derer man sich wenigstens in diesem Falle aber 1925 direkt wieder entledigte. Ein Hinweis, der dem scharfäugigen Betrachter selbst 2024 noch auf wenigstens einer der Laternen (siehe unten) thematisiert auffallen dürfte.

Daran anschließen ließe sich eine detaillierte Beschreibung der vielen Eigenarten der Basler Fasnacht, die zahlreichen Namen, Beteiligten, Handlungen, natürlich auch die Unterschiede zur artverwandten deutsch-rheinischen Besäufnisorgie. Allein, mich dünkt, Wissendere als ich Zugezogener finden sich zahlreich im Netz, denen man solch Wissen entlocken kann. Etwa direkt die Seite vom Fasnachts Comité!

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Wahlrechtsreform in Deutschland

Das Jahr 2024 beginnt nicht weniger turbulent, als das Jahr 2023 aufgehört hat. Aber zwischen Energieumlagen, Heizungsgesetzen, Migrationsdebatten und faschistischen Geheimtreffen zur Deportation von Bundesbürger*innen geraten andere Themen unweigerlich in den Hintergrund, auch solche, die deshalb natürlich nicht weniger Tragweite haben.

Dazu gehört zweifelsohne die Wahlrechtsreform, die im März 2023 mit den Stimmen der drei Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP verabschiedet worden ist. Eine Reform, die einen äußerst grundlegenden Aspekt unserer Demokratie verändert: die Art und Weise, wie unsere Stimmen am Wahltag die Zusammensetzung des Deutschen Bundestags und somit unsere politische Repräsentation beeinflussen.

Ich fand das Thema schon damals, als es in den Medien heiß diskutiert wurde, recht komplex. Grund genug, sich dem Thema noch einmal anzunehmen und zu überlegen, was genau da eigentlich passiert ist.

Disclaimer: Ich möchte betonen, dass ich kein Politiker und kein Politikwissenschaftler bin. Sondern lediglich ein Bürger, der Interesse an diesem sehr grundsätzlichen Vorgang hat und sich daher Gedanken darum macht, was das bedeutet und bedeuten kann. Sollten meine Ausführungen Fehler enthalten, sowohl faktischer als auch logischer Natur, bin ich für jeden Hinweis sehr dankbar. Fehler werden demzufolge auch transparent korrigiert.

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