Freundschaft

In unregelmäßigen Abständen mache ich mir Gedanken über den Begriff der Freundschaft. Wer sind meine Freunde? Wie viele Freunde habe ich? Wie eng sind diese Freunde mit mir? Das alles mündet zwangsläufig irgendwann in eine Definitionsfrage, die für mich schon allein deshalb bedeutend oder naheliegend ist, weil ich in der Vergangenheit einige sehr schöne Definitionen dafür lesen durfte, die meinem eigenen Empfinden sehr gut entsprechen.

„Freund“ ist ein Begriff, der sich über einige Jahre hinweg durch den Aufwind der Social Media Plattformen in semantischem Verfall befand. Auf Lokalisten, StudiVZ oder Facebook ist man rein terminologisch eben schon „befreundet“ gewesen, wenn zwei Profile sich nur gegenseitig verlinkt haben. Die Webseiten gibt es heute nicht mehr, sie haben keine große Relevanz mehr, oder aus dem Begriff der Freundschaft ist ein „follow“ geworden. Man verfolgt nun die Aktivitäten, den Feed einer anderen Person. Was vielleicht den Kern der Sache auch besser trifft. Schließlich spielt man in den sozialen Medien mehr Voyeur und Stalker als echten Freund.

Ich habe aber auch den Eindruck, dass diese semantische Aufweichung des Begriffs „Freundschaft“ nach einer Weile dafür gesorgt hat, dass sich die Menschen der originären Bedeutung des Wortes wieder stärker bewusst wurden. Nein, wer mir auf sozialen Medien folgt ist eben kein Freund. Nicht zwangsläufig. Er ist, wie man bisweilen feststellen muss oder darf, nicht einmal notwendigerweise wirklich an mir interessiert. Jemandem in den sozialen Medien zu folgen, das erfordert wenig Investment, wenig Kapital. Ein schneller Klick und es ist erledigt. Anschließend kann man abwarten, ob die Präsenz der Person im eigenen Newsfeed als angenehm empfunden wird, oder ob man nach kurzer Zeit doch wieder entfolgt. Freundschaft und Ghosting ohne dass der andere das überhaupt mitbekommt. Convenient.

Mit Freundschaft hat all das natürlich gar nichts zu tun. Freundschaft ist – wenigstens für mich – Ausdruck einer sehr engen, vertrauensvollen Bindung zwischen zwei Menschen. Freundschaft entsteht nicht über Nacht, sondern sie ist das Ergebnis eines Prozesses. Man trifft im Leben aufeinander, interessiert sich füreinander. Und wenn dieser gemeinsame Weg langfristiger wird und man miteinander im Gespräch bleibt, während man wandert, dann kann daraus eine Freundschaft werden.

Eine sehr prägende Variante von Freundschaft hat eine fiktive Romanfigur aus einem meiner absoluten Lieblingsbücher, Ritter Sperber aus der Fantasytrilogie „Elenium“ von David Eddings. Sperber, seines Zeichens ein Musterbild von einem Mann, tugendhaft und durchsetzungsstark gleichermaßen (allerdings mit gebrochener Nase), nutzt diesen Begriff ganz bewusst sehr selten. Er käme nicht auf die Idee, einen dahergelaufenen Mann am Straßenrand oder einen Adeligen am Hofe mit „Freund“ anzureden, auch wenn dies eine höfliche und gewinnende Floskel sein mag. Stattdessen gebraucht er den Begriff „Nachbar“. „Hey, ihr da, Nachbar, wo geht es hier des Weges?“ Nicht minder der Versuch, eine soziale Nähe zwischen beiden Personen aufzubauen, das Eis zu brechen, aber ohne eine Abwertung des Begriffs der Freundschaft. Denn diese behält Sperber den Menschen vor, die ihm wirklich als Freunde gelten. Jenen Mannen und Frauen, die ihn im Leben begleiten, die von seiner Vergangenheit wissen und die seine Gedanken und Gefühle verstehen.

Ich habe das Buch in meiner Jugend das erste Mal gelesen, und wann immer ich heute an die Elenium-Trilogie denke, dann sind es nicht Magie, Götter oder Ritter, die ich im Sinn habe, sondern genau dieser Begriff von Freundschaft. Ein Begriff, den ich zumindest innerlich sehr ähnlich handhabe.

Insofern ist der Kreis der Personen, die mir ernsthaft nah sind, die ich also als Freunde bezeichnen würde, äußerst klein. Es sind Menschen, denen ich unumwunden meine größten seelischen Schmerzen erklären kann. Mit denen ich meine Sorgen und Ängste teile. Und bei denen ich, und das ist mir vielleicht sogar das Wichtigste, nicht das Gefühl habe, dass ich ihnen irgendwie zur Belastung werde. Freundschaft bedeutet für mich, dass ich mich bei der anderen Person behütet fühle, dass mein Gegenüber mich ernst nimmt, mich sieht, und sich gerne mit mir umgibt. Ungeachtet der Zeit, die wir gemeinsam in Anspruch nehmen. Das gelingt nicht immer. Und manchmal mag ein Mensch die besten Intentionen haben, und gar all dies so empfinden, mich als Freund sehen und glauben, dass er sich mir gegenüber als bester Freund verhält, und doch ist das, was ich verspüre, eine Ablehnung, die mich weiter und weiter davon treibt, die irgendwann gar in Enttäuschung mündet.

Einen anderen Gedanken zur Freundschaft habe ich gestern ausgerechnet in Mortal Kombat 1 gefunden – ein brutales Streetfighter Game, in dem man nicht zwangsläufig tiefschürfende Weisheiten vermuten würde. Und doch sagt Li Mei dort zu Königin Sindel (wortgemäß, ich weiß um das genaue Zitat nicht mehr): in einer Freundschaft wird nicht gegeneinander aufgewogen. Soll heißen, man leistet einem Freund keine Dienste, weil man sich dafür einen Dienst erhofft. Man steht nicht in der Schuld eines Freundes. Weil eine Freundschaft keine Schulden kennt.

Was mich dann wiederum zu der Frage führt: Betrachte ich in manchen Fällen meine Beziehungen zu anderen Menschen falsch? Bin ich es, der unrechtmäßig genau solche Rechnungen aufmacht, weil ich Freundschaften falsch lebe? Oder ist das möglicherweise umgekehrt ein Erkennungszeichen dafür, dass eine Beziehung zu einem anderen Menschen echte Freundschaft ist. Wenn ich nämlich aufhöre, mir über solche Kleinigkeiten Gedanken zu machen, und einfach nur dafür sorgen will, dass es dem anderen gut geht. Wenn es mir völlig egal ist, ob mein Gegenüber mir das jemals in gleicher Münze „heimzahlen“ kann, weil unser Miteinander das Einzige ist, worauf es ankommt.

Eines noch. In meiner Welt ist Freundschaft kein sehr volatiles Gebilde. Es dauert lange, bis sich eine Freundschaft bildet, und sie erfordert einen aktiven Beitrag beider Seiten, wie auch immer der aussehen mag. Am Ende sind alle zwischenmenschlichen Beziehungen stets einzigartig, weil immer zwei sehr einzigartige Entitäten aufeinander treffen. Das heißt umgekehrt aber auch, dass Freundschaften selten einfach so zerbrechen. Das soll nicht heißen, dass das nicht vorkommen kann – wenn mir jemand bewusst, aktiv und willentlich massiv schadet, oder wenn jemand mit einem Mal Überzeugungen nachhängt, die ich aus der tiefsten Grundhaltung meines Seins heraus nicht teilen kann, dann ist die Freundschaft einer so heftigen Belastungsprobe ausgesetzt, dass sie zerbersten kann wie eine perforierte Glasscheibe unter Druck. Doch ansonsten ist für mich auch die Entfremdung ein langwieriger Prozess. Ich würde niemals jemanden nicht mehr als „Freund“ erachten, nur weil die Person für eine gewisse Zeit unnahbar wirkt oder mich nicht ernst nimmt und mir nicht zuhört. Wir alle haben solche Phasen in unserem Leben, in denen die Dinge nicht gut laufen. In denen wir gestresst und ausgebrannt sind. Oder in denen uns andere Dinge und Menschen wichtiger sind. Erst, wenn daraus langfristig das Gefühl wird, dass kein Interesse an einem Fortbestand des gemeinsamen Weges mehr ist, dann ist auch die Freundschaft vorbei. Und eine Rückkehr dorthin, ein Rückgewinn des gegenseitigen Vertrauens, ist ungleich schwerer.

Vorsätze – das März-Update

Im Januar hatte ich eine Reihe von Vorsätzen für das neue Jahr 2024 definiert. Gemeinhin ist es ja üblich, dass man sich von diesen Vorsätzen schon wenige Tage nach Begießen des Jahreswechsels schon wieder vollständig verabschiedet und sich in die exakt gegenteilige Richtung bewegt hat. Im Gegensatz zu dieser weit verbreiteten, lieb gewonnenen Tradition versuche ich jedoch, meinen Vorsätzen so gut wie irgend möglich gerecht zu werden. Wagen wir nach zwei verstrichenen Monaten (wo zum Henker ist die Zeit hin?!) einen Blick auf die Liste:

  • 12 Bücher lesen – das hat bislang erstaunlich gut funktioniert. Fünf (!) Bücher sind bereits gelesen, die meisten davon gay romance novels, dazu noch ein Buch mit koreanischen Horrorgeschichten. Aktuell sitze ich an einem Buch mit altnordischen Mythengeschichten. Ich bin fasziniert, wie nah Marvel teilweise an der echten Mythologie dran ist. So echt Mythologie eben sein kann.
  • Bretter die die Welt bedeuten – dazu bleibt mir aktuell leider keine Zeit, das Projekt muss ich in die zweite Jahreshälfte schieben.
  • 10 Kurzgeschichten schreiben – mit Herzblut und Nachrichten sind zumindest schon zwei Geschichten geschrieben, beide hier auf dem Blog veröffentlicht und vertont.
  • 5 Songs aufnehmen – ich hab zur Zeit keine Sangesstimme. War krank. Mist.
  • Bilder malen (3 normal, 1 hyperrealistisch) – ich habe wieder ein bisschen angefangen zu zeichnen, aber bislang nichts, was ich als kunstvoll erachten würde. Mir fehlt noch ein bisschen die Idee, in welche Richtung es gehen könnte. Aber ein paar ägyptische und Science-Fiction-Motive habe ich schon hinter mir.
  • Heiraten – ich könnte nicht weiter davon entfernt sein.
  • Doktorat abschließen – zwar ist es mir gelungen, gleich zwei mit Geldern versehene Anträge bei Förderinstitutionen bewilligt zu bekommen. Unter anderem für ein PostDoc-Projekt. Aber die Dissertation bereitet mir immer noch große Kopfschmerzen.

Insgesamt also keine ganz schlechte Bilanz nach zwei von zwölf Monaten. Aber ich sollte noch etwas mehr Gas geben. Keine Ablenkungen mehr!

Neues Jahr. Und Vorsätze.

Kennt ihr diese unangenehme Phase am Anfang eines Jahres, so zwischen 5. und 10. Januar, in der man nie ganz genau weiß, ob es sich eigentlich noch schickt ein „Frohes Neues!“ zu wünschen, wenn man jemandem zum ersten Mal im neuen Jahr begegnet?

Sei’s drum, heute ist der 22. Januar, und beim Sport kam mir der grandiose Gedanke, ein uraltes Projekt aus den digitalen Untiefen zu holen und zu reaktivieren. Diesen Blog. Gewissermaßen ein Revival passend zum, mehr oder weniger, Jahresbeginn.

Ein Revival?

Tatsächlich ist dieser Blog, verteilt über mehrere Phasen und Domains, schon etwas älter. Als die erste Version 2005 entstand war ich noch ein putziger kleiner Gymnasiast, intensiv in der SchülerMitVerwaltung (SMV) meiner Schule engagiert, und brauchte ein Vehikel, um kurze, pointierte Texte über Dinge zu publizieren, die mich entweder in der Schule oder auch anderweitig beschäftigen. Haupttreiber waren vermutlich meine Mitschüler*innen, die damals sehr davon überzeugt waren, ich könne gut und unterhaltsam schreiben.

Im Laufe der Zeit gab es mehrere „Relaunches“ – neue Themenbereiche, neue und qualitativ bessere Texte, mehr Struktur, mehr Regelmäßigkeit. Wie das so ist bei langlebigen, organischen und vor allem privaten Projekten braucht es hin und wieder einen Neustart. Insofern findet man hier heute auch keine alten Texte mehr von mir. Ich bin mir relativ sicher, gesamtgesellschaftlich ist das kein großer Verlust. Aber ich gebe auch zu, ein bisschen bedauere ich, dass ich heute nicht mehr nachlesen kann, was mein 17jähriges Ich damals so für wichtig empfunden hat.

Vorsätze für das neue Jahr

Ich gehöre zu diesen Menschen, die schon im Verlauf des Dezembers voller Vorfreude damit beginnen, sich ganze Listen mit Vorsätzen für das neue Jahr zu erstellen. Für mich ist vor allem der Jahreswechsel immer wieder ein perfekter Moment, innezuhalten, zu reflektieren. Und vor allem auch meine Weichen neu zu stellen. Was habe ich für das neue Jahr alles vor? Welche Probleme muss ich angehen? Welche Chancen möchte ich mir erarbeiten? Bin ich, wo ich sein möchte? Und wo möchte ich noch hin?

Ergo habe ich mir auch für 2024 eine Reihe von Zielen gesetzt, die ich gerne erreichen möchte. Manche davon sind „geschenkt“ – dass ich mich darum kümmern muss, steht ohnehin fest. Trotzdem bedeuten sie große Meilensteine in meinem Leben, weswegen ich sie gerne mit in die Liste aufnehme. Andere Ziele sind hingegen ganz basaler Natur. Wichtig ist für mich vor allem, dass die Ziele quantifizierbar sind. Entweder müssen es Zielsetzungen sein, die man am Ende des Jahres klar mit Ja oder Nein beantworten kann. Oder es gibt numerische Zielvorgaben, anhand derer man beurteilen kann, wie gut ich bislang dabei bin.

Eine kleine Auswahl meiner Ziele für 2024:

  • 12 Bücher lesen – das klingt nach wenig, aber ich habe üblicherweise nicht so viel Zeit und Ruhe, ganze Romane zu lesen. Die meiste Zeit konsumiere ich Nachrichten oder akademische Texte. Deswegen sind mit „Büchern“ hier explizit prosaische Werke gemeint, die nichts mit meiner Arbeit zu tun haben, die keinen akademischen Hintergrund haben.
  • Bretter, die die Welt bedeuten – seit Jahren frage ich mich, ob ich theoretisch das Zeug zum Schauspieler hätte. Immerhin wollte ich ursprünglich (unter anderem) einmal Musicaldarsteller werden. Aber könnte ich das überhaupt? Kann ich mir lange Texte merken, kann ich glaubhaft Emotionen transportieren und mit anderen Menschen gemeinsam nach einem vorgelegten Skript interagieren? Deswegen möchte ich 2024 gerne erkunden, ob das ein potentieller Weg für mich gewesen wäre.
  • 10 Kurzgeschichten schreiben – prosaische Geschichten habe ich als Jugendlicher und junger Erwachsener gerne und ausgiebig geschrieben. Ich würde sogar behaupten, dass ein paar ganz gute Sachen dabei waren. Leider habe ich das über die Jahre aus den Augen verloren. Dabei gäbe es inzwischen so viele Dinge auch aus meinem eigenen Leben, die ich gerne ein bisschen literarisch verarbeiten würde. Wozu also aufschieben – 2024 einfach machen.
  • 5 Song aufnehmen – nicht, dass ich selbst Songs schreiben würde. Ich bin zwar leidlich musikalisch, aber ich kann weder Komponieren noch verstehe ich etwas von der Produktion von Musik. Bin ich ein guter Sänger? Vielleicht war ich das mal, inzwischen bin ich vollkommen aus der Übung. Aber ich würde schon gerne versuchen, ein paar von meinen Lieblingssongs so aufzunehmen, dass ich mir die Songs am Ende gerne auch selbst anhören möchte.
  • 3 brauchbare und 1 hyperrealistisches Bild zeichnen – Ende letzten Jahres habe ich meine Leidenschaft für Bleistiftzeichnungen wiederentdeckt (ich fürchte, von Farbmalereien verstehe ich nicht viel). Über das Jahr hinweg würde ich es gerne schaffen, drei Bilder zu zeichnen, die ich mir selbst auch an die Wand hängen würde. Unterschiedliche Bilder idealerweise – ich dachte an eine Landschaft, eine technische Zeichnung, vielleicht auch noch ein Tier. Darüber hinaus möchte ich unbedingt lernen, wie man mit Bleistift hyperrealistisch zeichnen kann. Also so, dass Leute am Ende da stehen und sich wundern, ob es ein Foto oder eine Zeichnung ist. Ob ich das schaffe, weiß ich natürlich nicht – aber ein bisschen Challenge darf schon sein. 😉 Das wird vermutlich ein Portrait werden. Vielleicht von Captain America.
  • Heiraten – ganz klassisch darf in keiner Liste mit Neujahresvorsätzen das Unerreichbare fehlen.
  • Mein Doktorat abschließen – das ist eines dieser Dinge, die ohnehin geschehen müssen. Aber es ist schon kein kleiner Schritt, so ein Doktorat zu einem (hoffentlich guten) Ende zu bringen. Zumindest fühlt es sich aktuell wie ein fast unschaffbarer Schritt an. Aber auch das gehört zu einem Doktorat dazu. Das ist ein bisschen wie ein rite de passage. Das Leiden gehört dazu.

Das ein kleiner Ausschnitt aus meiner Liste – ich fürchte, da habe ich mir einiges vorgenommen für 2024! Die Wiederbelebung dieses Blogs gehörte übrigens lustigerweise nicht dazu. Aber das ist ein guter Ort, um die Kurzgeschichten direkt zu veröffentlichen. Und hin und wieder, vermutlich zu Monatsbeginn, ein kleines Update dazu zu geben, wie es aktuell um die Ziele steht. Und wenn es nur als Log für mich selbst dient.